Resilienz – ein neues altes Buzzword –

Vom Winde verweht, Parodie von Hanno Rink 2018

Ist Resilienz nun ein Beruhigungsmittel oder drückt sich darin ein kontinuierliches Lernen aus unerwarteten Ereignissen und Schocks aus? Diese Frage können sich viele stellen, die während der Corona-Krise wieder und wieder den Begriff zu lesen bekommen. Mit dem Spiegel-Essay vom 05.03.2021 des hoch geschätzten Soziologen Andreas Reckwitz wird der Begriff Resilienz zwar gut durchgearbeitet, doch scheint mir der Umgang mit dem Begriff fast so fassettenreich aufgebracht, wie schon vor 10 bis 20 Jahren und noch länger zurück. So verstehe ich sein Resilienzverständnis vornehmlich verbunden mit negativen Erwartungen, mit Krisen, die die Widerstandsfähigkeit gegenüber schockartigen Ereignissen stärken sollten. Der Begriff stehe für eine „skeptische Politik“, das alles kann man so teilen. Und er sieht, dass der Begriff auf einen elementaren Perspektivwechsel hinweist. Allerdings kommt erst zum Schluss ein – etwas vager – Hinweis, dass dieser Perspektivwechsel mit langfristigen Politiken und positiven Zielen der gesellschaftlichen Verbesserung verbunden werden kann, „ob sie nun in Richtung Autonomie, Wohlstand, Gerechtigkeit oder Nachhaltigkeit gehen“. Für heute drängende Entscheidungen ziemlich beliebig, oder nicht?

Wenn man den Resilienz Begriff an einer Skala zwischen Unklarheit und Klarheit zwischen 1- und 10+ einordnen würde, für das Essay würde eher eine 5 stehen. Auf nahezu 1- stehen etwa diejenigen, die – gerade heute verstärkt – für den Begriff des Beruhigens eintreten, des „es wird alles wieder gut wie es mal war“, zu finden in zahlreichen Papieren von Parteien, Organisationen und Firmen.

Sind das aber zukunftszugewandte und nachhaltige oder ´resiliente´ Strategien und Politiken? Fern von den sogenannten „transformative capacities“ die es in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft heute brauchte?

Da gibt es viele Zwischentöne und Versuche, den Begriff einzuordnen. Carl Folke analysierte schon 2006 in einer Arbeit über Resilienz, dass die Vorstellungen zu einer nachhaltigen und resilienten Gesellschaft schon gut 15 Jahre früher weit auseinandergingen. Ähnlichen Unklarheiten des Begriffes spürte 2016 Michael Hanisch nach, in einem Arbeitspapier „Was ist Resilienz? Unschärfen eines Schlüsselbegriffs“ der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Danach verspricht Resilienz u.a. fälschliche „Krisenfestigkeit“ und entspricht damit dem irrealen Wusch nach „Unverwundbarkeit“. Klar, dass es verschiedenste „Resilienzen“ gibt, beharrend bis zu neu gestalterisch progressiv, sich zeitlich verändernd, lokal bis global usw. In 2020 legte sogar die EU Kommission einen Report vor, mit dem verheißenden Titel „2020 Strategic Foresight Report, Charting the Course Towards a More Resilient Europe“, der nachzulesen sich lohnt.

 

Wie lernen wir aus Krisen langfristig? Mit Resilienz.

Am anderen Ende der hier mal gespielten Skala sehe ich bei 10+ die Forschergruppe des Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT). Für sie (und in ähnlicher Weise auch das Global X Netzwerk s.u.) ist Resilienz die Widerstands- und Anpassungsfähigkeit einer Gesellschaft in stetigem Wandel und Unsicherheit, sowie eine Kunst, Krisen erfolgreich zu meistern und die gemachten Lernerfahrungen für die eigene Entwicklung positiv zu nutzen. Im einleitenden Podcast der Reihe „Resilient Futures“ des IZT spricht u.a. Stefan Rammler eine Doppelstrategie an; die verschiedenen Komplexitäten zu erkennen und zu lernen, wie man mit Krisen umgeht. Resiliente Zukünfte sind danach ein denkbarer Raum möglicher Zukunftsszenarien…“ein visionäres Labor, in dem langfristige und wünschenswerte Perspektiven für die Gesellschaft entworfen werden können; ein Kompass fürs Navigieren durch Wandel und unsichere Zeiten“.

Für das Global X Network, dem ich über das deutsche Mitglied 4Sing angehöre, meint Resilienz eben nicht einfach die Rückholung des bisher Gewesenen, sondern es wird ein mehr gestalterischer Resilienzbegriff verfolgt, der Phasen durchläuft, wie die Krise zu erkennen, der Krise angepasst begegnen und sich aus der Krise heraus auch agil weiter zu entwickeln und in dem permanent zu lernen sein wird (Awareness, Adaptation, Agility, Active Learning). Gearbeitet wird derzeit u.a. an Instrumenten für ein „resilience testing“, das Politik und Unternehmen als eine Orientierung für Nachhaltigkeit und Resilienz in offenem Prozess, aber nie ruhenden aktivem Lernen für die komplexe Zukunft und hin zu notwendigen, einschneidenden gesellschaftlichen Transformationen dienen kann.de

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